The Boys in the Band

William Friedkin | 1970 | 118 Min. | EN/en
01.10.2021 | Neues Kino Basel, Klybeckstrasse 247, 4057 Basel | 18:00 Uhr

Die Skandalfilmspezialist:innen von «royalscandalcinema» sind am 1. Oktober 2021 zum zweiten Mal zu Gast am Luststreifen Film Festival in Basel und präsentieren einen Programmblock zu William Friedkins «The Boys in the Band». Während das dem Film zugrundeliegende Theaterstück 1968 in der Gay Community gefeiert wurde, wurde der zwei Jahre später erschienene Kinofilm im Kontext der «Stone Wall Riots» zum grossen Skandalon. Filmwissenschaftlerin und Kulturjournalistin Murièle Weber wird in ihrer Einführung zum Film darüber berichten, wie es zu diesem Wandel kam – und wieso der Film heute wieder zum Kanon des Schwulenfilms gerechnet wird.

Eine Gruppe schwuler Freunde trifft sich in einer New Yorker Wohnung, um den Geburtstag von Harold zu feiern. Dazu gehören der von Zynismus und Selbsthass gequälte Gastgeber, ein durch und durch effeminierter Innenarchitekt, ein afroamerikanischer Buchhändler, ein Pärchen mit divergierenden Vorstellungen von Treue und sexueller Freiheit, ein als Geburtstagsgeschenkt engagierter Callboy und ein zufällig dazu gestossener Hetero-Studienfreund. Bis das Geburtstagskind selbst auftaucht, hat die Stimmung der Partygemeinschaft schon einige Volten erlebt. Von lockerem Smalltalk zu ausgelassenem Tanz, von keifender Gehässigkeit zu verletzenden Wortgefechten und gewaltsamer Prügelei.

Das gleichnamige Theater von Matt Crowley, 1968 uraufgeführt, wurde von der Kritik als «bahnbrechend» bezeichnet. Clive Barnes schrieb in der New York Times: «[…] the frankest treatment of homosexuality I have ever seen on the stage». Als absolut neuartig gelobt wurde, dass die schwulen Protagonisten von «The Boys in the Band» nicht – wie in vielen zuvor erschienenen breitenwirksamen Filmen und Theatern – als klischierte Charakteren und Nebenfiguren dargestellt wurden, sondern als Hauptfiguren mit charakterlicher Tiefe.

Das Bühnenstück wurde als kühn und mitfühlend gepriesen. Die Ticketverkäufe machten es auch ökonomisch zu einem Erfolg. Das wiederum rief eine baldige Verfilmung nach sich. William Friedkin bot an, die Regie zu übernehmen. Für den Cast übernahm er die ursprüngliche Bühnenbesetzung. In kurzer Zeit schloss er die Dreharbeiten ab. Der Film kam bereits 1970 in die Kinos. Erwartet wurde ein grosser Erfolg. In der Zwischenzeit hat sich das Selbstverständnis der schwulen Gemeinschaft allerding gewandelt: Im Juni 1969 kam es in New York City zu den später als Stonewall-Unruhen bezeichneten Auseinandersetzungen zwischen homo- und transsexuellen Protestierenden und der Polizei. Stonewall Inn ist der Name einer Bar, die immer wieder zum Ziel von gewalttätigen Razzien wurde. Am 28. Juni 1969 formierte sich Widerstand gegen die Polizei, die als repressiv, willkürlich, trans- und homophob wahrgenommen wurde. Bewohner:innen des Viertels solidarisierten sich mit den Protestierenden. Die Polizei wurde erfolgreich vertrieben. Erst nach fünf Tagen beruhigten sich die Auseinandersetzungen rund um die Christopher Street. Der Kampfgeist der Homo- und Transsexuellen war allerdings geweckt. Ende Juli formierte sich die Gay Liberation Front, die in Gedenken an die Stonewall-Unruhen den Christopher Street Day ausrichtete, der sich ab 1970 als weltweiter Demonstrations-, Gedenk- und Festtag für die Rechte von Schwulen, Lesben, Trans-, Bi- und Intersexuellen etablierte.

Mit der Forderung nach mehr Rechten und weniger Diskriminierung ging auch die Entwicklung neuer Formen von kultureller Repräsentation einher. Die LGBTQ-Bewegung stand ein für mehr Selbstwertgefühl, Würde und Stolz. Zu dieser Anspruchshaltung passten die von Zweifel und Selbsthass zerfressenen Protagonisten von «The Boys in the Band» nicht mehr. Der Film wurde zum Skandalon der damaligen Schwulengemeinschaft.

Das hat sich im Lauf der letzten 50 Jahren wiederum gewandelt. «The Boys in the Band» wird heute als Kultfilm gefeiert und gilt als Klassiker des Schwulenfilms. Unter der Regie von Joe Mantello wurde 2020 ein von Netflix produziertes Remake gedreht. «The Boys in the Band» ist ein wunderbares Beispiel dafür, wie sich die Betrachtung und Bewertung von Filmen im Laufe der Zeit ändern. Umso wichtiger ist eine konsequente Einordnung ihrer Skandalisierung in ihrem jeweiligen historischen und kulturellen Kontext.

Eingeführt wird «The Boys in the Band» durch Murièle Weber. Die Zürcher Anglistin, Filmwissenschaftlerin und Kulturjournalistin hat im Rahmen von «royalscandalcinema» bereits «Pink Flamingos» besprochen.

Die Vorführung findet am 1. Oktober 2021 im Neuen Kino Basel im Rahmen des Basler Luststreifen Filmfestivals statt, wo «royalscandalcinema» nun schon zum zweiten Mal einen Veranstaltungsblock zur Skandalisierung von Queer Cinema veranstaltet.