L’Âge d’Or

Luis Buñuel | 1930 | 60 Min. | FR/de
03.03.2022 | Kulturbetrieb Royal, Bahnhofstrasse 39, 5400 Baden | 20.00 Uhr

Am 3. März 2022 zeigt «royalscandancinema» den surrealistischen Filmklassiker «L’Âge d’Or» von Luis Buñuel. Die Satire auf bürgerliche Kultur, Klerus und Kapitalismus wurde 1930 scharf kritisiert. Eine Aufführung im Pariser «Studio 28» wurde von einem wütenden Mob attackiert, der Kinosaal verwüstet und eine vor dem Kino gezeigte Ausstellung surrealer Kunst zerstört. Der an der Universität Zürich forschende Historiker Patrick Kilian führt aus, weshalb der Film für derart Aufruhr gesorgt hat.

Wie bereits bei seinem aufsehenerregenden Erstling «Un chien andalou» forderte Luis Buñuel mit «L’Âge d’Or» die Sehgewohnheiten seines Publikums heraus. Der Film ist ein experimentelles Werk mit unterschiedlichen Erzählsträngen, collegeartigen Bilderreihen und assoziativen Verweisen: Die vergebliche – weil immer wieder durch die Filmhandlung unterbrochene – amour fou eines jungen Pärchens. Die Geliebte, die lasziv an den Zehen einer Statue lutscht. Skorpionkämpfe. Bischöfe im Ornat, wie Affen auf einem Felsen sitzend. Christus an einer Orgie. Christus als Mörder. Die Skalpe getöteter Frauen ans Kreuz genagelt. Eine bürgerliche Festgesellschaft. Eine Kuh im Bett. Ein Bischof, der zusammen mit einer Giraffe aus dem Fenster fliegt. Zwischen surrealen Szenerien eingebettet sind Erzählstränge, in welcher Buñuel bürgerliche Kultur, christliche Moral, Militär und Kapitalismus gezielt aufs Korn nahm. Von den Surrealisten wurde der Film hochgelobt. Aufgeführt wurde er denn auch im Pariser «Studio 28» in Kombination mit einer Ausstellung surrealer Kunstwerke – unter anderem von Salvador Dalí, Max Ernst, Man Ray und Joan Miró.

Als der Film bereits fünf Tage lief, attackierte ein wütender Mob das Kino, verwüstete den Kinosaal und zerstörte die ausgestellten Kunstwerke. Zum Angriff riefen rechtsextreme Gruppen wie die «Ligue des Patriotes» und die «Ligue antijuive» auf. Sie schmierten Tinte auf die Leinwand, warfen Stink- und Rauchbomben in die Reihen, rissen Kinositze aus der Verankerung und gingen mit Knüppeln auf das Publikum los. Dazu skandierten sie: «Tod den Juden!» und «Wollen sehen, ob es in Frankreich noch Christen gibt.»

Der Vorfall zog die Aufmerksamkeit von Politik und Justiz auf sich. Diese sahen allerdings weniger den Angriff durch die selbsterklärten Patrioten als Problem, sondern betrachteten den Film als eigentliches Skandalon – und forderten Zensurmassnahmen, Aufführungsverbote und schliesslich die Beschlagnahmung des Films. Die bürgerliche Presse führte eine Kampagne gegen Buñuel. Die linke Presse und die Surrealisten setzten sich mit Verve für «L’Âge d’Or» ein. André Breton verfasste ein fulminantes Manifest zu dessen Verteidigung. Woraufhin die Tageszeitung «Le Figaro» verlangte, dass gegen die ganze Gruppe der Surrealisten Strafverfahren eingeleitet werden sollen.

Dazu kam es zwar nicht. Die Zensurbehörde beschloss in einem aufsehenerregenden Entscheid vom 12. Dezember 1930 aber, dass der Film zu verbieten sei. Die Polizei schwärmte aus, um Filmkopien zu beschlagnahmen. Die neun Tage zuvor begangene Verwüstung von Kino und Kunstausstellung wurde nicht gesühnt. Erst 1981 gelangte der Film wieder in die französischen Kinos. In Deutschland wurde er 1970 im Rahmen einer Kunstausstellung gezeigt. Auch da intervenierte der Staat und verhinderte eine zweite Aufführung des Films.