Ekstase

Gustav Machatý | 1933 | 95 Min. | DE/en
17.02.2022 | Kulturbetrieb Royal, Bahnhofstrasse 39, 5400 Baden | 20.00 Uhr

Eine hüllenlose Hedy Lamarr in Zeiten der allgemeinen Maskierung! Der Film- und Referatszyklus «royalscandalcinema» fährt sein Programm wieder auf mit «2G+» und einem Themenabend zum österreichisch-tschechischen Filmklassiker «Ekstase» von Gustav Machatý – mit Einführung durch Bernd Herzogenrath, Professor an der Goethe-Universität Frankfurt.

«Ekstase» ist in vielerlei Hinsicht ein spannender Film. Er existiert in unterschiedlichen Fassungen, wurde bereits im Ursprung in drei Sprachvarianten – die in ihrer Besetzung voneinander abwichen – produziert und nach seiner Veröffentlichung je nach Land, Geschmack und geltendem Zensurrecht neu geschnitten. Er gilt vielen Filmhistoriker:innen als jener Film (abgesehen von pornographischen Erzeugnissen), der den ersten weiblichen Orgasmus visuell in Szene setzt. Er zeigt, zumindest in seiner ursprünglichen Fassung, eine emanzipierte Frau als Protagonistin, die selbstbewusst und selbstbestimmt dem bürgerlichen Korsett einer unglücklichen Ehe entflieht. Der jungen Hedy Kiesler bot der Film die Möglichkeit, sich zur weltberühmten Hedy Lamarr zu wandeln.

Die im Film erzählte Geschichte handelt davon, wie sich Eva und Adam verlieben. Wobei Eva bereits mit Emil vermählt ist. Ein älterer, unbeholfener Mann, der die Leidenschaft der jungen Frau weder in romantischer noch in sexueller Hinsicht zu befriedigen weiss. Eva flieht zu ihrem Vater und reicht die Scheidung ein. Während einem Ausritt mit ihrem Pferd trifft sie auf den galanten Adam. Die gemeinsame Liebesgeschichte nimmt ihren Lauf.

Für Furore sorgten mehrere Elemente des Films. Den Konservativen trat Eva wohl generell zu emanzipiert auf. Das zeigt sich in ihrem Willen, ihren Ehegatten zu verlassen und nach romantischer Liebe zu suchen. Das zeigt sich aber auch an ihrem Verlangen nach sexueller Befriedigung. Evas ikonischer Orgasmus – ausschliesslich dargestellt mit Zoom auf ihr erregtes Gesicht – steht stellvertretend dafür, dass weibliche Sexualität nicht bloss in einem passiven Empfangen und anschliessendem Gebären, sondern auch in sexueller Erfüllung bestehen kann und soll. Ein Verständnis von Sexualität, das in den 1930er Jahren alles andere als selbstverständlich war. Eine zehnminütige Nacktszene komplementierte die Entrüstung der konservativeren Zeitgenoss:innen. Katholische Kritiker:innen entrüsteten sich zudem über die freimütig propagierte Scheidung aus romantischen Gründen, das Zelebrieren von Ehebruch (vor Vollzug der Scheidung) und das Begehen von Selbstmord. Eine Todsünde im katholischen Tugendkanon.

Filmjournalist:innen und Filmhistoriker:innen schrieben und schreiben wiederholt davon, dass Papst Pius XI. höchstpersönlich den Film verdammte; ohne dafür allerdings eine Belegstelle zu liefern. Immerhin, die vatikanische Entrüstung war gewiss. Der Osservatore Romano schrieb von Ekstase als einer «Amoralität ohne Beispiel». Moralischer Druck auf die italienischen Filmverleiher führte dazu, dass der Film in den 1930er Jahren nicht in den Kinos des Belpaese gezeigt wurde. Bei der österreichischen Premiere kam es zu Tumulten in Kinos, worauf die Aufführung abgebrochen werden musste. In den Vereinigten Staaten protestierte die Legion of Decency, eine von katholischen Bischöfen organisierte Laienorganisation, medienwirksam gegen den Film, was zu unterschiedlichen Zensurmassnahmen verschiedener Bundesstaaten führte. Mit der Politisierung des Filmskandals drängte die Legion of Decency die US-amerikanische Filmindustrie dazu, den sogenannten «Production Code» für verbindlich zu erklären. Mit diesem wurde eine «freiwillige Selbstkontrolle» eingeführt, welche die Darstellung von moralischen, sexuellen, politischen und religiösen Inhalten regulierte. Von 1934 bis zu seiner Abschaffung 1967 liess der «Production Code» eine Überwachung der Filmindustrie zu, unter Miteinbezug kirchlicher Sittenwächter:innen.