Padmaavat

Sanjay Leela Bhansali | 2018 | 164 Min. | HI/UR/De
26.09.2019 | Kulturbetrieb Royal, Bahnhofstrasse 39, 5400 Baden | 19:30 Uhr

Schon bevor der Film in die Kinos kam, sorgte ein Gerücht über eine angebliche Filmsequenz für Morddrohungen, Massenproteste und brennende Kinos auf dem indischen Subkontinent. Am 26. September 2019 zeigt «royalscandalcinema» im Kulturlokal Royal in Baden «Paadmavat» von Sanjay Leela Bhansali, eine der teuersten Bollywoodproduktionen überhaupt. Harald Fischer-Tiné, Professor an der ETH Zürich und Kenner der indischen Geschichte hält das Einführungsreferat.

Die Geschichte des Films basiert auf einem Gedicht des Dichters Malik Muhammad Jayasi, das um 1540 entstanden war. Es handelt von der (wohl fiktiven) Königin Rani Padmavati und gehört zu den bedeutenden Epen der Rajputen, einer der fürstlichen Kriegerkasten Indiens. Die Handlung des Gedichts ist in einen (realen) historischen Kontext der Zeit um 1300 eingebettet. Dichtung, Epos und Geschichte wurden darin gewissermassen verwoben. Im Zentrum des Gedichts stehen Prinzessin Padmavati und König Maharawal Ratan Singh, die sich ineinander verlieben, einander heiraten und ihr Reich, von den Untertanen geliebt, aus der Stadt Chittor heraus regieren. Padmavati wird besungen als schönste Frau auf Erden, Ratan Singh als weiser Herrscher. Das Glück der beiden wird allerdings bedroht durch Alauddin Khilji, der als machtsüchtiger Herrscher des Sultanats von Dehli beschrieben wird. Als Alauddin von der Schönheit Padmavatis erfährt, wird er besessen von der Vorstellung, Padmavati zu besitzen. Um sie zu erobern zieht er in den Krieg, belagert Chittor und besiegt Maharawal Ratan Singh durch eine List. Padmavati weigert sich allerdings, sich Alauddin zu ergeben. Anstatt sich dem Schicksal und Alauddin Khilji zu ergeben, verbrennen sich alle Frauen der Stadt Chittor, angeführt von Padmaavat (in Indien als «jauhar», Selbstmord durch Selbstverbrennung, bezeichnet).

Noch bevor der Film in die Kinos kam, sorgte ein Gerücht über eine angebliche Filmszene für Aufruhr. Dabei wurde kolportiert, der Film beinhalte eine erotische Traumszene, bei welcher Padmavati und Alauddin einander näher kämen. Problematisiert wurde das vor dem Hintergrund, dass Padmavati von Hindus als epische Königin bis heute verehrt wird und Alauddin als muslimischer Herrscher äusserst negativ interpretiert wird. Das Gerücht über die Darstellung einer sexuellen Begegnung der beiden führte zu massiven Protesten durch Hindus, insbesondere durch jene aus der Gruppe der Rajputen. Kinos brannten, Schauspieler und Regisseur erhielten Morddrohungen, ein Filmset wurde verwüstet. Der Regisseur Sanjay Bahnsali wurde tätlich angegriffen. Deepika Padukone, die Hauptdarstellerin, musste unter Polizeischutz gestellt werden.

Die Produktionsfirma verzichtete deshalb darauf, den Film zum geplanten Start in die Kinos zu bringen. Erst sollte sich der öffentliche Furor beruhigen. Dies geschah denn auch, als es der Firma gelang, glaubhaft zu versichern, dass die insinuierte Traumsequenz niemals Teil des Films war. Wegen anhaltenden Drohungen und Angst vor Angriffen verzichteten zahlreiche Kinos dennoch auf eine Vorführung. In fünf Bundesstaaten Indiens (Madhya Pradesh, Rajasthan, Gujarat, Uttar Pradesh und Haryana) wurde der Film gar verboten. Der oberste Gerichtshof Indiens hob das Verbot allerdings auf und stützte damit die Meinungsäusserungsfreiheit, die im Zusammenhang mit dem Verbot des Filmes zu einem breit diskutierten Thema geworden war.

Auch von muslimischer Seite gab es Kritik am Film: Der Film arbeite mit stereotypen Bildern von Muslimen. Diese würden als böse, dreckig, tyrannisch, hinterlistig und gierig dargestellt, wohingegen die Hindus als gut, edel, erhaben und schön erstrahlen. In Reaktion darauf verbot Malaysia den Film Anfang 2018. Von feministischer Seite wurden das im Film gezeigte Frauenbild und die glorifizierende Darstellung des «Jauhars» scharf kritisiert. Mit Jauhar wird die Praxis der freiwilligen Selbstverbrennung bezeichnet, die von Frauenrechtlerinnen – im Zusammenhang mit der Diskussion um Witwenverbrennungen («Sati») seit Jahrzehnten bekämpft wird.

Durch die Proteste wurde eine breite Bevölkerung auf den Film aufmerksam. Die Besucherzahlen stiegen in der Folge weit über das von den Produzenten erhoffte hinaus. Bei Produktionskosten von 31 Millionen Dollar, spielte er über 85 Millionen Dollar ein. Das macht «Paadmavat» zu einem der erfolgreichsten Filme Indiens.

Film und Skandalisierung werden eingeführt durch den Historiker Harald Fischer-Tiné. Er ist Inhaber der Professur für Geschichte der modernen Welt an der ETH Zürich. Er forscht zur Globalgeschichte, der Geschichte des Wissens, des Kolonialismus und des Imperialismus. Er publizierte insbesondere zu indischer Geschichte, zu religiösem Fundamentalismus und zu Konflikten zwischen Hindus und Muslimen.