The Death of Stalin

Armando Ianucci | 2017 | 106 Min. | EN/de
21.08.2018 | «24h Shop», Langstrasse 62, 8004 Zürich | 20:00 Uhr

Ein rabenschwarzer Politthriller, eine bitterböse Satire, eine antiautoritäre Parabel oder ein destabilisierendes Machwerk antirussischer Propaganda: Armando Ianucci’s Film über Stalins Tod und die darauffolgenden Machtkämpfe unterliegt unterschiedlichen Wertungen. In Russland wurde er mit einem Aufführungsverbot belegt. Ulrich Schmid, Professor für Geschichte und Kultur Russlands, wird den Film und seine Skandalisierung kontextualisieren. Die Vorführung findet im Rahmen des Kulturprogramms «24h Shop» an der Zürcher Langstrasse statt.

Wir schreiben das Jahr 1953: Josef Wissarionowitsch Stalin erleidet in seiner Datscha einen Schlaganfall. Niemand wagt es, sich dem in seiner Urinlache liegenden Diktator zu nähern, bis nur noch sein Tod festgestellt werden kann. Nach und nach treffen die Mitglieder des Zentralkomitees ein. Es gilt, sich für das Ränkespiel um seine Nachfolge in Stellung zu bringen. Allianzen werden geschmiedet, Intrigen gesponnen, geheime Absprachen getroffen – und wieder gebrochen. Während die trauernden Massen zu Stalins Begräbnis pilgern, versuchen sich seine politischen Zöglinge gegenseitig auszustechen.

Armando Iannuccis «The Death of Stalin» zeichnet ein bitterböses Gemälde der chaotischen Zustände nach Stalins Ableben, eine Politsatire voll von absurdem Slapstick, schwarzem Humor und bitterbösen Dialogen. Ein glänzendes Komödianten-Ensemble mimt den innersten Zirkel der Macht: Jeffrey Tambor als Malenkow, Steve Buscemi als Chruschtschow, Simon Russell Beale als Beria und Michael Palin als Molotow. Das Drehbuch basiert auf der gleichnamigen Comicserie von Fabien Nury und Thierry Robins, die als Parabel auf die Absurdität totalitärer Regimes gelesen werden wollte, mehr oder weniger an historischen Fakten orientiert – oder wie die Autoren schrieben: «Eine wahre Geschichte – auf sowjetische Art.»

Iannuccis Film provozierte kontroverse Reaktionen. Die einen monierten, dass der Film die Opfer des stalinistischen Terrors verhöhne und dessen Regime verharmlose. Andere sahen die Stärke des Films gerade in seiner zynischen Auseinandersetzung mit den Funktionsweisen autoritärer Macht. Ianuccis Satire ziele nicht bloss auf Stalin als machtbesessenen Diktator (und seinen Führungszirkel), sondern nehme allgemein politische Konstellationen aufs Korn, die von autoritärer Herrschaft, Kriechertum, Denunziation und Gewalt geprägt sind.

In den Vereinigten Staaten wurde der Film von Trump-Kritikerinnen als Vorlage genommen, um dessen Kabinett zu kritisieren. In einigen Nachfolgestaaten der Sowjetunion – in Russland, Weissrussland, Kasachstan und Kirgistan – wurde der Film mit Aufführungsverboten sanktioniert. In Russland wurde das Verbot zwei Tage vor den geplanten, landesweiten Premieren ausgesprochen. Als Verbotsgründe wurden etwa «Blasphemie», die «Verunglimpfung nationaler Symbole» (wie zum Beispiel der sowjetischen Nationalhymne), eine «Beleidigung der sowjetischen Vergangenheit» und die Absicht des Films, Russland zu destabilisieren, indem er «Risse in der Gesellschaft» provozieren würde.

Nachdem der russische Kulturminister Medinsky den Film anfänglich mit Verweis auf die geltende Redefreiheit zugelassen hatte, entschied er sich nach Protesten politischer Exponenten für ein Verbot des Filmes. Er meinte dazu: «Bei uns gibt es keine Zensur, aber es gibt moralische Grenzen zwischen einer kritischen Analyse der Geschichte und ihrer Verhöhnung.» Wie so oft wurde der Film dadurch umso gefragter: Nach dem Vorführungsverbot stiegen die Downloadraten exponentiell an. Ein Kino liess den Film vor gefüllten Rängen in fünf Vorstellungen zeigen, bis die Polizei den Saal mit Verve räumte.

Vor der Filmvorführung wird Ulrich Schmid «The Death of Stalin» und seine Skandalisierung in einem einleitenden Referat kontextualisieren. Er wird auf das Vorführungsverbot in Russland eingehen, einen generellen Exkurs zur Politisierung von Geschichte in Russland vornehmen und die Kontroverse um den Film in diesem Rahmen erörtern.

Ulrich Schmid ist Professor für Geschichte und Kultur Russlands an der Universität St. Gallen. Er war Visiting Fellow an der Harvard University, Gastforscher an der Universität Oslo, Assistenzprofessor erst in Basel, dann in Bern und – als vorläufig vorletzte Station – Professor für Slavische Literaturwissenschaft an der Ruhr-Universität Bochum. Schmid beschäftigt und beschäftigte sich intensiv mit der Untersuchung von Nationalismus in Osteuropa, osteuropäischer Kulturpolitik, russischen Medientheorien und der Politisierung von Kultur und Geschichte.

Die «royalscandalcinema»-Reihe findet für einmal in Zürich statt. Im Rahmen des einmonatigen Kulturprogramms «24h Shop» wird der Film an der Langstrasse 62 gezeigt.