Sweet Movie

Dušan Makavejev | 1974 | 98 Min. | EN/FR/IT/PL/ES/de
15.02.2018 | Kulturbetrieb Royal, Bahnhofstrasse 39, 5400 Baden | 20.00 Uhr

Kot, Urin, Erbrochenes, Kapitalismuskritik, Pädophilie, Kommunismus, sexuelle Revolution und Mord: Dušan Makavejevs «Sweet Movie» projiziert unterschiedliche skandalträchtige Motive auf die Leinwand. Ein Genuss für Freund*innen skurrilen Humors, eine Abscheulichkeit für viele andere.

«Sweet Movie», eine internationale Co-Produktion aus dem Jahr 1974, war Makavejevs erster im Exil gedrehter Film – nachdem er das kommunistische Jugoslawien wegen «W. R. Misterije Organizma» verlassen musste.

Die Handlung folgt in zwei mehr oder weniger ineinander verflochtenen Strängen einer kanadischen Schönheitskönigin und einer gescheiterten kommunistischen Revolutionärin. Miss World 1984, die ihren Preis einem perfekt geformten Jungfernhäutchen verdankt, wird mit einem stumpfsinnigen texanischen Milliardär verheiratet (der erstaunliche Parallelen zu einem zeitgenössischen New Yorker Immobilienspekulanten und US-Präsidenten aufweist), der sie nach einer traumatisierenden Hochzeitsnacht allerdings verstösst. In einem Koffer verfrachtet sucht sie ihr Glück in Europa, mit dem mexikanischen Schnulzenstar El Macho in Paris, später in Otto Muehls gleichsam realexistierenden Wiener Skandalkommune. Derweil fährt Anna Planeta mit einem Frachtschiff voller Süssigkeiten und einem riesigen Pappmaché-Karl Marx am Bootsrumpf durch die Kanäle Amsterdams und verdreht dabei kleineren wie grösseren Jungen lasziv den Kopf. Zwischen die beiden Hauptstränge flocht Makavejev Filmsequenzen aus der nationalsozialistischen Propagandaproduktion ein, die zeigen, wie die Nazis Todesopfer des Massakers von Katyn untersuchen, instrumentalisiert als Agitation des Dritten Reichs gegen die Sowjetunion.

Den düsteren Themen zum Trotz gelang Makavejev mit viel Geschick ein Film voll von skurrilem Humor, der unweigerlich zum Schmunzeln führt.  Das Lexikon des internationalen Films urteilt über den Film: «In einer die Formen des konventionellen Erzählkinos sprengenden Episodencollage attackiert der Serbe Dušan Makavejev die weltweite Unterdrückung der Sinnlichkeit in kommunistischen wie kapitalistischen Gesellschaftssystemen: eine wüste, respektlose, programmatisch betriebene Tabuverletzung, die gleichermassen schockiert wie amüsiert.»

Mit seinen Darstellungen von Koprophilie, Emetophilie, impliziertem Kindsmissbrauch und Verwendung nationalsozialistischen Propagandafilmmaterials beschwor der Film allerdings eine Kontroverse auf, die in vielen Ländern zu Verboten führte.

Die Filmwissenschaftlerin Patricia Pfeifer führt den Film ein und kontextualisiert die darum entstandene Empörung. Pfeifer war Mitglied der Graduiertenschule für Ost- und Südosteuropastudien der Universität München und forscht in Zürich zu Formen des Verstehens im ostmittel- und südosteuropäischen Kino. Im Rahmen der royalscandalcinema-Filmreihe referierte die Makavejev-Spezialistin im Januar 2017 bereits zu «W. R. Misterije Organizma».