Der böse Onkel

Urs Odermatt | 2011 | 95 Min. | DE
05.03.2020 | Kulturbetrieb Royal, Bahnhofstrasse 39, 5400 Baden | 20.00 Uhr

Am 5. März 2020 zeigt «royalscandancinema» den skandalisierten Schweizerfilm «Der böse Onkel» von Urs Odermatt. Dem Regisseur wird vorgeworfen, dass im Film Pädophilie verharmlost werde und Opfer zu Tätern gemacht würden. Claus Löser, Filmwissenschaftler und Kurator in der Brotfabrik Berlin, wird den Film einführen.

Eine alleinerziehende Frau zieht mit ihrer Tochter aufs Land, um das ruhige Leben zu geniessen. Die Idylle wird durchbrochen, als die Frau den im ganzen Dorf beliebten Sportlehrer beschuldigt, ihre Tochter missbraucht zu haben. Die Bewohner des Dorfes stellen sich jedoch auf die Seite des Sportlehrers. Die Frau gibt nicht auf und kämpft weiter darum, sich bei den Menschen Gehör zu verschaffen.

In der schweizerischen Medienlandschaft wurde «Der böse Onkel» breit rezipiert. Streitigkeiten um Arbeitsverträge, Saläre und Entschädigungen von Zulieferern und Castings für Nacktszenen wurden in der regionalen Berichterstattung ausgeschlachtet. Für eine eigentliche Skandalisierung sorgte jedoch der Umstand, dass der Film mit der Debatte um den pädophilen Sexualstraftäter «Köbi F.» in Verbindung gebracht wurde. Der Beobachter-Redaktor Martin Müller warf dem Regisseur Urs Odermatt vor, er verharmlose mit seinem Film dessen Taten und mache Opfer zu Tätern. Ruth Ramstein, welche sich als ehemalige Schulpflegerin mit Vervefür die Opfer im «Fall Möriken» einsetzte, meinte, der Film missachte den Opferschutz. Sie warf dem Film vor, er würde Wunden aufreissen, die noch nicht verheilt seien, Sexualstraftäter heroisieren und offenbare einen unsensiblen Umgang mit der heiklen Thematik. Gegenüber der Aargauer Zeitung führte sie aus: «Die Texte […] zeigen ein unsensibles Umsetzen dieses Themas auf und die zu spielenden Rollen lassen die realen Personen erkennen. Die Geschichte Köbi F. eignet sich nicht für lockere, vulgäre Sprüche klopfen, die despektierliche Sprache ist verletzend den realen Opfern gegenüber.»

Filmkritiker hingegen lobten den innovativen und experimentellen Charakter des Films. Am Rome Independent Film Festival gewann «Der böse Onkel» den New Vision Award. Der Tages-Anzeiger meinte zu Urs Odermatts Regie: «[…] eine rasante Abfolge von drastischen Bildern, wüsten Worten und verfremdeten Situationen. […] Die Machart […] ist so atemberaubend ungewöhnlich, dass man kaum glauben kann, dass der Regisseur ein Schweizer ist.» Die Basler Zeitung schrieb: «Urs Odermatt gelingt der radikalste und provokativste Schweizer Film seit Jahren.»

Die Einführung hält Claus Löser. Er ist Filmhistoriker, Filmemacher und Filmkurator in Berlin. Unter dem Titel «Strategien der Verweigerung: Untersuchungen zum politisch-ästhetischen Gestus unangepasster filmischer Artikulation in der Spätphase der DDR» publizierte er zum subversiven Filmschaffen Ostdeutschlands. Er ist Gründer des Filmarchivs «ex.oriente.lux», das sich der Sammlung und Vermittlung des ostdeutschen Underground- und Experimentalfilms widmet. Seit 1990 kuratiert er das Filmprogramm der Berliner Brotfabrik, ein Mekka für Liebhaberinnen und Liebhaber des unkonventionellen Films.