Cruising

Williem Friedkin | 1980 | 102 Min. | EN/de
03.05.2018 | Kulturbetrieb Royal, Bahnhofstrasse 39, 5400 Baden | 20.00 Uhr

Ein spannender Thriller mit Fokus auf Identitätsverlust oder ein homophober Krimi? William Friedkin hat mit seinem Film «Cruising» Empörung und Wut auf sich gezogen. Zusammen mit dem Kultur- und Medienwissenschaftler Johannes Binotto nimmt «royalscandalcinema» eine Kontextualisierung des Films und seiner Skandalisierung vor.

New York in den 1970er Jahren: Ein heisser Sommer – Leichenteile schwimmen im New Yorker Hudson River. Die Polizei vermutet einen Serienkiller, der gezielt Homosexuelle tötet und schickt den Polizisten Steve Burns undercover ins Schwulenmilieu des West Villages. Dort nimmt er sich eine Wohnung, freundet sich mit Nachbarn an, und beginnt, die S/M-Clubs der homosexuellen Gemeinschaft aufzusuchen. Burns taucht tief in die Szene ein, verzweifelt im Angesicht des eigenen Identitätsverlustes und der unaufhaltsamen Gewalt: Sein heteronormatives Weltbild erhält Risse, die Beziehung zu seiner Freundin wird auf eine harte Probe gestellt, die Mordserie reisst nicht ab. Der Film wird seinem doppeldeutigen Namen gerecht – ein Polizist auf Streife und Homosexuelle auf der Suche nach Sex.

Viele Homosexuelle empfanden den Film als homophob, andere dagegen unterstützten die Dreharbeiten. Der Film wurde hauptsächlich in Schwulenclubs gedreht. Viele Statisten wurden innerhalb der Schwulenszene rekrutiert. Gleichzeitig liefen Homosexuellenverbände bereits während der Dreharbeiten Sturm. Sie kritisierten die Reduktion und Stereotypisierung der homosexuellen Szene auf ihre Leder-tragende Subkultur, auf Dark Rooms, körperbetonte Kleidung und Promiskuität. Durch die als gewalttätig dargestellte Gay-Szene würden Vorurteile gegenüber Homosexuellen gefördert. Ein Höhepunkt der Proteste war eine Demonstration von 1000 Menschen gegen die städtische Unterstützung der Dreharbeiten. Rund 300 Polizisten schützten zeitweise die Clubs, einige Szenen mussten nachgespielt und nachgesprochen werden, da sich Demonstranten auf das Dach und in die Nachbarappartements der Drehorte schlichen und dort laute Musik abspielten, auf dem Dach herumsprangen und mit Spiegeln störende Lichtreflexionen erzeugten. Nach Erscheinen des Films flachten die Proteste und Kritiken ab und fokussierten sich auf filmische Fragen, die Charakterentwicklung von Burns oder das – für viele unbefriedigende – Ende.

Zusammen mit dem Kultur- und Medienwissenschaftler Johannes Binotto kontextualisiert «royalscandalcinema» den Film und seine Skandalisierung. Binotto ist Post-Doc-Researcher am Englischen Seminar der Universität Zürich, wo er mit einer Studie zum unheimlichen Raum in Kunst, Literatur und Film promoviert hat. Als Forscher, freier Autor, Redaktor des Filmmagazins «Filmbulletin» und als Redaktionsmitglied von «RISS. Zeitschrift für Psychoanalyse» spürt er den Schnittstellen zwischen Kinogeschichte, Filmtechnik, Psychoanalyse und Raumanalyse nach. Als Dozent für Filmtheorie lehrt er an der Hochschule Luzern Design+Kunst, am Zürcher Lacan-Seminar und an der Psychiatrischen Universitätsklinik Burghölzli.

Wie immer präsentiert «royalscandalcinema» den Film auf Grossleinwand und in Originalsprache. Die gemütliche Atmosphäre eines traditionsreichen Badener Kinos, ergänzt durch einen sympathischen Barbetrieb mit breitem Sortiment lädt zu spannenden Diskussionen ein.