Das Gespenst

Herbert Achternbusch | 1982 | 84 Min. | DE
05.04.2018 | Kulturbetrieb Royal, Bahnhofstrasse 39, 5400 Baden | 20.00 Uhr

Der 42. Heiland eines bayrischen Frauenklosters steigt vom Kreuz ins Bett der Mutter Oberin, verwandelt sich hie und da in eine Schlange, setzt sich mit der Polizei auseinander und sinniert über Gott und die Welt. Die Skandalfilmreihe «royalscandalcinema» zeigt – passend zu Ostern – den 1982 von Herbert Achternbusch gedrehten Film «Das Gespenst», mit einer Einführung durch Ute Holl, Professorin für Medienästhetik an der Universität Basel.

Als «Das Gespenst» 1982 in die Kinos kam, bahnte sich eine Skandalisierung an, welche tiefgreifende Folgen für die deutsche Filmförderung haben sollte. An ihm lassen sich ganz unterschiedliche gesellschaftliche Bruchlinien aufzeigen: Von der katholischen Kirche wurde «Das Gespenst» als blasphemisches Machwerk bezeichnet, von der Jury der Evangelischen Filmarbeit hingegen zum «Film des Monats» gekürt. In der Begründung ihres Entscheides schrieb die Jury: «Davon überzeugt, dass Unbequemes nicht durch Totschweigen aus der Welt geschafft werden kann, tritt [die Jury] dafür ein, gerade einen derart ‹anstössigen› Film einer Öffentlichkeit nicht vorzuenthalten, die so gerne als mündig bezeichnet wird.» Diese Einschätzung stiess beim Leiter der Zentralstelle Medien der Deutschen Bischofskonferenz auf wenig Verständnis. Er sah in der Auszeichnung eine «ernste Belastung» des ökumenischen Dialogs. Der Medienpädagoge Johannes Gawert wiederum lobte den Film als verwirrten und verwirrenden, aber dringend nötigen Versuch, «so etwas wie eine ‹Frömmigkeit nach Auschwitz› zu formulieren, die nicht mehr in schlichter Einfalt und kindlichem Gottvertrauen aufgehen kann […].»

Für den deutschen Bundesinnenminister Friedrich Zimmermann war der Fall allerdings klar. Er brandmarkte den Film öffentlich als «widerwärtiger, blasphemischer und säuischer» Film. Besonders sauer stiess dem CSU-Politiker auf, dass der Film durch öffentliche Gelder mitfinanziert wurde. In einem Interview mit dem Spiegel meinte er: «Ich lasse nicht zu, dass mit Steuergeldern gefördert wird, dass einem Christus am Kreuz eine Schweinszunge aus dem Munde hängt, dass Kröten gekreuzigt werden und dass besoffene Polizisten ihre Notdurft in ein Schnapsglas verrichten, während ununterbrochen auf der Polizeiwache das Telefon läutet, aber niemand hingeht, um die Assoziation zu erwecken, bei der Polizei brauchst du nicht anzurufen […].»

Als der Bundesinnenminister in der Folge Fördergelder zurückhielt, die Achternbusch bereits zugesprochen wurden, solidarisierten sich zahlreiche Filmschaffende mit dem Regisseur: Während der Verleihung des Bundesfilmpreises protestierten sie als Gespenster verkleidet gegen die Massnahme. Ebenso öffentlichkeitswirksam inszenierten sich die Gegner des Films, etwa in München, wo sich zu Christi Himmelfahrt über tausend katholische Pfadfinder zu einer Sühneprozession für den Sünder Achternbusch versammelten, durch die Stadtmitte ziehend bis zur Mariensäule vor dem Münchner Rathaus, einem nicht nur politisch, sondern auch religiös zentralen Platz der bayrischen Hauptstadt.

Versuche, ein bundesweites Verbot des Films aufgrund des damals geltenden Blasphemie-Verbots zu erwirken, scheiterten in Deutschland jedoch, anders als etwa in Österreich. Da das Blasphemie-Verbot nur dann in Kraft trat, wenn die vermeintliche Gotteslästerung den öffentlichen Frieden zu stören drohte, sahen die Richter von einem Verbot ab. So hielten die Richter in ihrem Urteil fest, dass dem Film dazu das Format fehle; er falle eher in die «Kategorie des Dürftigen, Läppischen, Albernen und Geschmacklosen».

Tatsächlich setzte der Regisseur in «Das Gespenst» nicht nur auf subversive Inhalte – die zitierte Kurzzusammenfassung des Bundesinnenministers lässt es erahnen – sondern auch auf Filmtechniken, die der Filmwissenschaftler Amos Vogel wohl als Subversion der Form bezeichnet hätte: Langatmige und abstruse Dialoge, steif rezitiert, oft und wohl absichtlich dilettantisch wirkend, zuweilen derb, pubertär und ungeschliffen.

Um mehr zu erfahren über filmische Entfremdungstechniken, die Subversion der Form, und die «Ästhetik der Blasphemie» hat «royalscandalcinema» die Filmhistorikerin und Filmwissenschaftlerin Ute Holl eingeladen, die an der Universität Basel den Lehrstuhl für Medienästhetik innehat. Ute Holl forscht und lehrt zur Geschichte und Theorie audiovisueller Wahrnehmung, zur Politik medialer Menschen- und Massenbilder und zur Wahrnehmungsgeschichte des Kinos. Sie wird den Film und dessen Skandalisierung in einer zwanzigminütigen Einführung kontextualisieren.